Agenda
Innovation durch Kooperation
Seit 2017 sind die „Zukunftsorte“ ein feststehender Begriff im Innovationsökosystem Berlins. In diesen elf Gewerbequartieren steht der Austausch von Wirtschafts-, Forschungs- und Technologieeinrichtungen im Mittelpunkt. Dass aber nicht nur hier an der Zukunft des Wirtschaftsstandorts gearbeitet wird, zeigt die Anfang des Jahres in der IHK Berlin vorgestellte Studie „Innovative Gewerbestandorte in Berlin“, die durch das Büro regioteam im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWEB) erstellt wurde.
Mit Fokus auf den leistungsfähigen Industrie- und Gewerbesektor werden in der Studie innovative Standorte benannt, die bislang nicht den Zukunftsorten zugeordnet werden. Gemeinsam mit fünf gewerblich geprägten Zukunftsorten werden sie zu 19 „Innovationskernen Gewerbe“ zusammengefasst. Ziel der Analyse war es, die Bedeutung und die Erfolgsfaktoren dieser Quartiere herauszuarbeiten und Stellschrauben der Standortpolitik zu identifizieren. Wie Ulrich Misgeld, Vorsitzender des Unternehmensnetzwerks Motzener Straße, betont, verfüge Berlin „über innovative und leistungsfähige Standorte, die mehr öffentliche Sichtbarkeit verdienen“.
Ulrich Misgeld, Vorsitzender Unternehmensnetzwerk Motzener Straße
© IMAGO/funke foto services
Die Unternehmensnetzwerke werden als ein Erfolgsfaktor genannt, denn sie wirken als Innovationsmotoren. Abgesehen von einzelnen Projektförderungen, werden sie ausschließlich durch das überwiegend ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder getragen. Sie dienen als Informations- und Kommunikationsknoten nach innen und außen. Nach innen werden die Mitglieder über Entwicklungen im Gebiet, über Best Practices, Förderprogramme oder bezirkliche Veranstaltungen informiert. Es wird bei aktuellen Herausforderungen unterstützt und gemeinsam an Zukunftsfragen wie Mobilitäts- und Energiewende, Nachhaltigkeit oder Cyber- security gearbeitet. Nach außen sind sie Ansprechpartner für Politik, Verwaltung und Wissenschaft. So wird auch der Wissenstransfer vorangetrieben.
Beispiele sind die Kooperation zwischen dem Unternehmensnetzwerk Moabit mit der Berliner Hochschule für Technik (BHT), die gemeinsam an Nachhaltigkeitsfragen arbeiten, oder jene zwischen Netzwerk Motzener Straße und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), die sich mit der Optimierung des Wirtschaftsverkehrs befasst. Oder auch: die Zusammenarbeit des Technologie-Parks Humboldthain (TPH) mit dem Netzwerk Großbeerenstraße, die im Rahmen des durch den Masterplan Industriestadt geförderten Projekts „Circular KMU Hub“ für Kreislaufwirtschaft sensibilisiert.
Diese Beispiele zeigen auf, was der größte Innovationsverstärker ist: Kooperation. Wo Technologie- und Gründerzentren, Forschungseinrichtungen, große Unternehmen sowie Start-ups und Ausgründungen aufeinandertreffen und durch Zukunftsorte und Unternehmensnetzwerke gestützt werden, entstehen Ökosysteme für Innovationen made in Berlin. Vor dem Hintergrund schwacher Konjunktur und der unsichereren geopolitischen Lage sendet die Studie ein wichtiges Zeichen: Nur durch die Zusammenarbeit aller Akteure kann ein Innovationssystem entstehen, mit dem Berlin im internationalen Wettbewerb bestehen kann.
Was sind die konkreten Handlungsempfehlungen der Studie? Etwa Berlin nicht mehr nur als Forschungs- und Entwicklungsstandort, sondern zusätzlich als innovativen, auch mittelständisch geprägten Produktionsort zu profilieren. Entscheidend ist auch die Verbesserung der Standortrahmenbedingungen, etwa bei der Verkehrsinfrastruktur, leistungsfähigen Versorgungsnetzen und flächendeckendem Breitband-Internet. Ferner bedarf es einer engen Begleitung bei der Digitalisierung, dem Zugang zu Fachkräften oder der Dekarbonisierung. Dazu wird vorgeschlagen, die Kooperation mit Politik und Verwaltung zu institutionalisieren, etwa in Form eines Jour fixe, einer Gewerbeleitstelle und der Verankerung der Standorte in die Strukturen der Bezirke.
Ein besonderes Augenmerk widmet die Studie den Unternehmensnetzwerken. Diese zu unterstützen, sei ein geeignetes Mittel zur effizienten Nutzung knapper Haushaltsmittel. Denn etwa bei Infrastrukturvorhaben oder nachhaltiger Entwicklung ergeben sich so zahlreiche Sy- nergieeffekte. Auch ein verstärkter Wissensaustauschs zwischen den Netzwerken kann innovative Ansätze in die Breite tragen. Hierzu wird eine bei der SenWEB angesiedelte „Innovations- und Transferstelle Netzwerke“ angeregt. Auch die IHK Berlin hat im Herbst 2024 in dem Positionspapier „Die Transformation der Berliner Industrie als Chance begreifen“ Handlungsempfehlungen ausgesprochen, um ihren Teil zum Innovationsverstärker Kooperation beizutragen.
Das Goerzwerk beheimatet Handwerksbetriebe, Start-ups und produzierendes Gewerbe. Darüber hinaus wird es häufig für Veranstaltungen des Netzwerks Goerzallee genutzt
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von Tim Schneider