Branchen
E-Roller & Co. auf Spur bringen
Erst im letzten Jahr feierten die E-Scooter ihr fünfjähriges Bestehen in Berlin. Sie gehören genauso wie E-Bikes sowie E-Roller zur Mikromobilität. Doch nicht erst seit Bekanntwerden der schwierigen Haushaltslage im letzten Jahr ist die Zukunft der Mikromobilität ungewiss. Der Lastenfahrradverleiher Cargoroo meldete zum Jahresende überraschend Insolvenz an. Konzessionsreduzierungen, fehlende Abstellflächen und ab April womöglich schärfere Auflagen durch die neue Sondernutzungserlaubnis sorgen außerdem für Unruhe in der Branche.
Die Zukunft der Kleinstmobile steht und fällt mit einer durchdachten Infrastruktur.
© IMAGO/Stefan Zeitz
Abstellsituation hat sich verbessert
Kompakte Kleinstfahrzeuge wie E-Roller, Pedelecs und E-Bikes finden sich fast an jeder Straßenecke in der Stadt. Besonders aber um die grünen, türkisen beziehungsweise roten E-Scooter will der Streit in Berlin nicht abreißen. Kritiker sehen in den Fahrzeugen eine Gefahr für Fußgänger, bemängeln ein chaotisches Abstellen oder sprechen sogar von einer „E-Scooter-Flut“. Tatsache ist aber, dass die Zahl der E-Scooter von 2023 bis Mai 2024 um fast 9.000 zusammengeschrumpft ist. Zugelassen sind nur noch 19.000 E-Scooter in der Innenstadt. Auch durch die neu geschaffenen Abstellflächen, den Einsatz von Fußpatrouillen sowie durch kontrollierte Abstellverbotszonen hat sich die Situation auf den Gehwegen, Plätzen und Straßen deutlich gebessert.
Trotzdem besteht Handlungsbedarf. So bemerkt etwa Natascha Spörle, Senior Public Policy Manager Bolt, dass Berlins Infrastruktur gar nicht richtig auf die neue Mobilitätsform ausgerichtet sei. Berlin müsse sich entscheiden, „welchem Verkehrsmittel wie viel des begrenzten Raums“ zur Verfügung gestellt werde. Ihre Kritik bezieht sich vor allem auf den nur langsam vorankommenden Ausbau von gesicherten Radwegen sowie auf die noch nicht ausreichend vorhandenen Abstellflächen für die Fahrzeuge. Diese Einschätzung teilt auch Anna Montasser, Director Public Policy bei Lime. „Der Schlüssel zur Integration und Akzeptanz liegt in einer besseren Infrastruktur. Ähnlich wie beim Pkw der Parkplatz reduzieren Abstellflächen für geteilte Zweiräder Konflikte.“
Gerade aber die langfristige Finanzierung von neuen Abstellflächen ist leider nach wie vor ungeklärt. So betont Michael Bartnik, stellvertretender Abteilungsleiter bei Jelbi, dass 2025 über die dauerhafte Verstetigung und berlinweite Skalierung von Jelbi entschieden werde. Jelbi kümmert sich um den Ausbau von anbieterneutralen Abstellflächen in den Bezirken. Letztes Jahr war ein „gutes Jelbi-Jahr“, bestätigt Bartnik: „Wir haben inzwischen über 300 Jelbi-Standorte.“ Mit inzwischen 36 Mobilitätsanbietern und Standortpartnern sei Jelbi das größte Mobilitätsbündnis in Europa. „Durch mehr Jelbi-Zonen, die enge Zusammenarbeit mit den Anbietern und eine konsequente Regulierung werden die Bürgersteige immer aufgeräumter und wild parkende Sharing-Zweiräder gebündelt“, so Bartnik.
Vom Ausbau der Abstellflächen profitiert schließlich auch die Nextbike GmbH, die in Berlin das öffentliche Leihfahrradsystem betreibt und die Jelbi-Flächen nutzt. Allerdings stand bis zuletzt gerade deren Zukunft wegen der Haushaltseinsparungen auf der Kippe. Inzwischen ist klar, dass es weitergeht. Geplant ist eine neue Ausschreibung für den Betrieb. Wann diese kommt und ob der aktuelle Betreiber den Zuschlag erhalten wird, bleibt offen. Eines steht aber fest: Fahrradfahren macht den Berlinern Spaß. „Im letzten Jahr zeichnete sich ein neuer Verleihrekord mit vier Millionen Fahrten ab, das ist doppelt so viel wie im Vorjahr“, wie eine Sprecherin von Nextbike mitteilt.
Neben den angesprochenen Herausforderungen bei Infrastruktur und Finanzierung schaut die Branche mit Sorge auf Ende März. Dann nämlich läuft die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis gemäß Pragraf 11 a Berliner Straßengesetz (BerlStrG) für die Anbieter aus. Unklar ist bislang, was der Senat plant. Bleibt es bei der Anzahl der aktuellen Genehmigungen? Verschärfen sich die Auflagen? Oder könnte es gar ein Verbot für die Anbieter von E-Scootern geben wie in Paris oder Madrid?
Für ein Verbot fehlen rechtliche Grundlagen
Martin Becker, Vorstand der Plattform Shared Mobility, beruhigt: „Für ein Verbot von E-Scootern fehlen die rechtlichen Grundlagen, und es ist auch fachlich und sachlich nicht geboten.“ Außerdem sprechen die positiven Nutzerzahlen für E-Scooter und Fahrräder in der Shared Mobility. „Sämtliche Angebote der Mikromobilität sind bei den Nutzern beliebt und werden besonders als Ergänzung zu Bus und Bahnen angenommen.“ Die nächsten Wochen werden hoffentlich Antworten und Planungssicherheit für die Anbieter bringen.
Fazit: Wenn Berlin die Mobilitätswende ernst nehmen will, darf bei der Mikromobilität nicht eingespart werden. Denn Mikromobilität bietet zusammen mit Bussen, Bahnen und Taxis eine umfassende Alternative zum eigenen Auto und entlastet die Stadt von Verkehr.
von Dr. André Schmiljun