BW 03/2021 – Fachkräfte

Corona schweißt zusammen

Die Krise hinterlässt Spuren, auch in Hinblick auf den Nachwuchs. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Ausbildungsverhältnisse erweisen sich als robust
Corona verschärft die Probleme, die vorher schon da waren: Mit dem Virus kam das Distanzlernen auf die Agenda und offenbarte Lücken in der Digitalisierung bei den Schulen und Berufsschulen. Berufsorientierung, Beratung und Matching wurden durch geschlossene Schulen, reduzierte persönliche Kontakte und fehlende Ausbildungsmessen deutlich erschwert. Das blieb nicht ohne Folgen für das neue Ausbildungsjahr 2020/21.
Trotz rückläufiger Zahlen an gemeldeten Ausbildungsbewerbern und Ausbildungsplätzen bei den Berliner Agenturen für Arbeit stieg die Anzahl der unversorgten Marktteilnehmer auf beiden Seiten. Das bestätigte nun auch der Blick in die IHK-Statistik: Die Anzahl der neu geschlossenen betrieblichen Ausbildungsverhältnisse lag im Krisenjahr 2020 genau 17,6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Branchendifferenziert gibt es dabei allerdings Hochs und Tiefs.
In den besonders krisenbetroffenen Branchen Hotel- und Gastgewerbe, Touristik und Veranstaltungen fielen die Rückgänge erwartungsgemäß besonders hoch aus. Denn dort, wo Unternehmen durch starke Umsatzrückgänge, Stillstand der geschäftlichen Tätigkeit, Kurzarbeit, Personalabbau und Insolvenz bedroht sind, kann auch keine Ausbildung im Betrieb mehr erfolgen. Aber auch konsum- und exportabhängige Branchen und die Personaldienstleistungsbranche litten stark. Unternehmen, die Ausbildung zur Deckung ihres innerbetrieblichen Fachkräftebedarfs von morgen einsetzen, mussten 2020 auf Sicht fahren und fokussierten darauf, zunächst bereits aktive Auszubildende zum Abschluss zu bringen. Ihnen fehlte mitunter der Planungshorizont für Neueinstellungen.

Einige Branchen steigern Vertragszahlen

Doch die Bilanz lässt auch Lichtblicke zu: Zuwächse an Neuverträgen konnten in der Finanz- und Versicherungsbranche, in Berufen mit hohem Digitalisierungsgrad, für Eisenbahner im Betriebsdienst und in der Lagerlogistik verzeichnet werden. Viele Unternehmen hätten sogar noch deutlich mehr Auszubildende einstellen können. Zahlreiche Ausbildungsplätze blieben in der Pandemie allerdings unbesetzt.
Die Krise schweißt zusammen: Im Gegensatz zur Entwicklung neuer Ausbildungsverträge zeigten sich bestehende Ausbildungsverhältnisse in der Krise besonders robust. Die Anzahl der Vertragslösungen lag 2020 auf einem Fünfjahrestief. Sowohl Unternehmen als auch Auszubildende wussten die Ausbildung mehr denn je zu schätzen. Mit einer Erfolgsquote von rund 83 Prozent hielt sich die Zahl bestandener Abschlussprüfungen im Sommer 2020 auf dem Niveau des Vorjahres. Insgesamt blieb die Anzahl der in der Ausbildung aktiven Unternehmen mit einem leichten Rückgang von drei Prozent nahezu stabil.
Verschiedene Unterstützungsmaßnahmen in der Ausbildung trugen zur Fachkräftesicherung bei und schufen berufliche Perspektiven für den Nachwuchs. Wichtige Unterstützung kam im letzten Jahr insbesondere für das krisengeschüttelte Hotel- und Gastgewerbe. Hier schafften die Initiativen „Pop-up-Ausbildungshotel“ und „Pop-up-Prüfungsvorbereitung“ befristete Auffangmechanismen, um Auszubildende weiter zu qualifizieren und sicher zum Abschluss zu bringen. Die Ausbildungsprämien des Bundes unterstützten zudem krisenbetroffene Ausbildungsbetriebe aller Branchen, die ihr Ausbildungsniveau trotz Pandemie aufrechterhalten oder erhöhen konnten – oder Kurzarbeit vermeiden, Ausbildung im Verbund mit anderen Partnern anbieten oder Auszubildende aus Insolvenzbetrieben übernehmen konnten.
Die Berliner Wirtschaft wird auch in Zukunft wieder einen steigenden Bedarf an Fachkräften haben. Damit Unternehmen planen können, brauchen sie jetzt allerdings eine stärkere Kalkulierbarkeit der Infektionsschutzmaßnahmen und klare Perspektiven. Es gilt Fehler des letzten Jahres nicht zu wiederholen. Die Unterstützungsmaßnahmen für Betriebe müssen aufrechterhalten und bedarfsgerecht für weitere Branchen ausgelegt werden. Die Ausbildungsprämien sollten mit Blick auf das neue Ausbildungsjahr verlängert werden. Die aktuellen Abschlussjahrgänge müssen trotz fortdauernder Einschränkungen zielgerichtet orientiert, beraten und vermittelt werden. Nicht zuletzt benötigt jede Ersatzmaßnahme zu betrieblichen Ausbildung auch ein Ablaufdatum. Nur so kann die betriebliche Ausbildung gestärkt aus der Krise hervorgehen.
von Anne Neidhardt