Deutschland braucht eine digitale Dekade

Die Pandemie hat nicht nur die digitale Rückständigkeit in Deutschland offenbart, sondern Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zugleich einen Digitalisierungsschub verpasst. Damit die 2020er Jahre tatsächlich zu einer digitalen Dekade werden, muss die nächste Bundesregierung die IKT-Infrastruktur umgehend ausbauen, einen neues Verständnis von Daten als Rohstoff des 21. Jahrhunderts schaffen und vorausschauende Souveränität bei digitalen Schlüsseltechnologien anstreben.

Digitalinfrastruktur zukunftsorientiert ausbauen

Die Unternehmen brauchen zur Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle endlich flächendeckend leistungsfähige Breitband- und Mobilfunknetze. Dazu muss die staatliche Breitbandförderung prioritär auf Unternehmen ausgerichtet werden. Im ländlichen Raum benötigen Betriebe mit besonders hohem Datenbedarf individuelle Unterstützung in Form eines "Gigabit-Bonus". Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen beispielsweise durch Pauschalerlaubnisse und digitale Verwaltungsprozesse erheblich verschlankt werden. Ausbauverpflichtungen und freiwillige Zusagen der Netzbetreiber bei der 4G-Basisversorgung müssen konsequent eingefordert und eine Option für regional verpflichtendes Roaming eingeführt werden. Zudem sollte deutlich weniger Mobilfunkinfrastruktur genehmigungspflichtig sein. Die verbliebenen Genehmigungsverfahren müssen mithilfe der neuen Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft MIG konsequent beschleunigt werden, damit Mobilfunkmasten innerhalb von drei Monaten genehmigt werden können.

Datenschätze in Unternehmen und staatlichen Institutionen heben

Deutschland und Europa benötigen ein fundamental neues Verständnis vom Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Um die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern zu verringern, muss das Leitmotiv der Datensparsamkeit durch die Prinzipien Datenverfügbarkeit, -souveränität und -sorgfalt ergänzt werden. Grundlegend ist, dass das Datenschutzrecht entschlackt und praxistauglich gemacht wird. Vorrangig muss die ePrivacy-Verordnung zeitnah gesetzlich neu geregelt werden. Zur Sicherstellung der für etliche Firmen elementaren Drittstaatentransfers müssen kurzfristig neue Angemessenheitsbeschlüsse und modernisierte Standardvertragsklauseln geschaffen, mittelfristig die Maßstäbe der DSGVO angepasst und langfristig weltweite Schutzstandards vereinbart werden. Die gemeinsame Datennutzung in Europa muss durch eine gleichermaßen leistungsstarke wie sichere Cloud-Infrastruktur sowie rechtliche und steuerliche Anreize befördert werden. Unternehmen, die eine missbräuchliche Marktdominanz ausüben, sollten zur Offenlegung und Portabilität bestimmter Daten verpflichtet werden. Für eine Open Government Data-Strategie, die Unternehmen bei der Erschließung neuer Geschäftsmodelle hilft, braucht es vor allem die verbindliche Öffnung kommunaler Datenbestände, die Harmonisierung offener Daten über Standards und die Bereitstellung von Experimentierräumen zur Nutzbarmachung der Daten.

Souveränität bei digitalen Zukunftstechnologien erlangen

Anders als etwa bei Plattformen und Cloud-Systemen kann Deutschland bei den aufkommenden Zukunftstechnologien noch Souveränität erreichen und an der weltweiten Standardsetzung mitwirken. Dafür müssen KI, Blockchain, Quantencomputing, additive Fertigung, etc. jedoch auch von der Politik als Chancen und nicht als Risiken behandelt werden.
Konkret sollten die formulierten KI-, Daten- und Blockchain-Strategien aktualisiert sowie die derzeit zersplitterten Förderprogramme konzentriert und dann mit Fokus auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit aufgestockt werden. Die Regulierung der Technologien sollte über dezentral erarbeitete, sich weiterentwickelnde Standards und nicht über starre Gesetze erfolgen. Öffentlich (bspw. durch die Agentur für Sprunginnovationen) geförderte Projekte/Technologien sollten vom Staat als Pilotnutzer verwendet werden.