Berufsorientierung

Neue Ziele im Blick – Möglichkeiten nach dem Studienabbruch

Schlagworte wie „Akademisierungswahn“ oder „Academic Drift“ beschreiben eine Entwicklung, die von Politik und Wirtschaft mit Sorge verfolgt wird: Das bedarfsgerechte Verhältnis von Facharbeitern und Meistern auf der einen Seite und Akademikern auf der anderen Seite ist gefährdet.
Die Zahl der Studienanfänger hat sich seit 2003 von 377.000 auf 506.000 im Jahr 2013 erhöht. Damit gibt es inzwischen fast so viele Studien- wie Ausbildungsanfänger. Zugleich können in allen Branchen Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Vor allem kleinere Betriebe gehen im Wettbewerb immer häufiger leer aus. Im Ergebnis mangelt es zunehmend an beruflich gebildeten Fachkräften: Allein im MINT-Bereich fehlen davon bis Ende 2020 rund 1,4 Millionen – und „nur“ 150.000 Akademiker.

Hochschulen: Abbruchquoten weiterhin auf hohem Niveau

Obwohl beruflich Gebildete künftig noch stärker gefragt sein werden und auf dem Arbeitsmarkt beste Chancen haben, drängen immer mehr junge Leute an die Hochschulen – und nicht wenige stellen nach einigen Semestern fest, dass ein Studium doch nicht das Richtige für sie ist: Mehr als jeder vierte deutsche Studienanfänger im Bachelor-Studiengang (29 Prozent) verlässt die Universität ohne Abschluss, davon über 60 Prozent bereits nach dem ersten oder zweiten Fachsemester. Insgesamt beenden jährlich schätzungsweise 100.000 junge Leute ihr Studium vorzeitig.

Studienabbrecher für Berufliche Bildung gewinnen

Gerade mit Blick auf den wachsenden Mangel an beruflich gebildeten Fachkräften ist die IHK-Organisation bestrebt, Studienabbrecher für die betriebliche Aus- und Weiterbildung zu gewinnen. Jede dritte IHK hat bereits spezielle Angebote ins Leben gerufen. Ein weiteres Drittel hat dies vor. Im Rahmen ihrer Aktivitäten baut die IHK-Organisation sukzessive lokale Netzwerke und ein abgestimmtes Beratungsangebot von Hochschulen, Arbeitsagenturen und IHKs auf.

IHKs bieten vielfältige Initiativen und Projekte an

Neben individuellen Beratungsgesprächen, Informationsveranstaltungen und Hilfe beim direkten Berufseinstieg gibt es eine wachsende Zahl von größeren Projekten, die unter so prägnanten Namen wie „Spurwechsel“, „Finish-IT“, „your turn“ oder „switch“ bei der Integration von Studienabbrechern in Berufliche Bildung helfen – bisher überwiegend in duale Ausbildungsberufe.

Berücksichtigung von Studienleistungen: Vorteile in Aus- und Fortbildung

Es ist möglich, die Ausbildungszeit um bis zu 50 Prozent reduzieren. Den meisten Studienabbrechern steht diese Option aufgrund ihrer schulischen Vorbildung prinzipiell offen. Gleichzeitig sollte deren „Wissensvorsprung“ nicht überschätzt werden – schließlich findet der Löwenanteil der Abbrüche in den ersten beiden Semestern statt. Studierende, die ihr Studium zu einem späten Zeitpunkt abbrechen, können eine Fortbildungsprüfung auf Meister-Ebene ablegen. Dabei kann die Studienleistung gegebenenfalls bei der Zulassung zur Prüfung berücksichtigt werden.

Kooperation, Vernetzung, Berufsorientierung – drei zentrale Erfolgsfaktoren!

Um Studienabbrecher frühzeitig zu erreichen, sollten sich die Hochschulen entsprechenden Kooperationsangeboten noch stärker öffnen. Auch ist eine stärkere Vernetzung der zentralen Akteure in den jeweiligen Regionen erforderlich, um Studienabbrecher-Initiativen bekannter und schlagkräftiger zu machen. Im Sinne einer „prophylaktischen Beratung“ sollte die Kooperation mit der Wirtschaft zur Berufsorientierung an Schulen – insbesondere an Gymnasien – ausgebaut werden. Ziel muss sein, die Bekanntheit und Attraktivität der Beruflichen Bildung weiter zu steigern und ihre Karriereperspektiven noch stärker zu bewerben!