Herbstkonjunktur

Trübe Stimmung vor dem Winter

Potsdam, 26. Oktober 2023 – „Die erhoffte Erholung von den Krisen der vergangenen Jahre ist ausgeblieben. Stattdessen gerät die regionale Wirtschaft in Westbrandenburg wieder ins Taumeln. Das zeigen die Rückmeldungen von mehr als 1000 befragten Unternehmen im Kammerbezirk Potsdam.“
Das sagt Dr. Manfred Wäsche, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Potsdam, heute zur Veröffentlichung der Ergebnisse aus der Herbst-Konjunkturumfrage im IHK-Bezirk Potsdam mit den Landkreisen Havelland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Potsdam-Mittelmark, Prignitz, Teltow-Fläming sowie der Landeshauptstadt Potsdam und der kreisfreien Stadt Brandenburg an der Havel. Der IHK-Geschäftsklimaindex* hat sich seit dem Frühjahr (109,1) deutlich verschlechtert und liegt nun bei 91,9 Punkten.
„Nachdem im Frühjahr ein leichter gesamtwirtschaftlicher Aufwärtstrend zu sehen war, geht es nun leider wieder in die andere Richtung. Instabile Auftragslagen und nachlassende Kundennachfragen sowie hohe Kosten insbesondere für Energie belasten die regionale Wirtschaft ebenso wie die gestiegenen Zinsen. Der Fach- und Arbeitskräftemangel tut sein Übriges.“ 
Dr. Manfred Wäsche, IHK-Hauptgeschäftsführer
Insgesamt, so Wäsche, beurteile nur rund ein Drittel der Unternehmen die aktuelle Lage als gut. Im Vergleich zur vorherigen Befragung aus dem Frühjahr, als knapp die Hälfte von einer befriedigenden und mehr als ein Drittel von einer guten Situation redeten, trübt sich die Stimmung nun ein. Einen Lichtblick gibt es jedoch im Bereich der Beherbergung, denn hier hat sich die Geschäftslage deutlich verbessert und wird mehrheitlich als gut eingeschätzt. Wäsche betont jedoch mit Blick auf die Gesamtsituation: „Energiewende, Verkehrswende, Mehrwertsteuer - die Baustellen sind zahlreich. Es braucht nun klare Signale aus der Politik, die der Wirtschaft in unserer Region eine sichere Zukunftsperspektive bieten. Nur mit ausreichend Planungssicherheit können Unternehmen zukunftsweisende Entscheidungen treffen und die beschriebenen großen Herausforderungen bewältigen.“

Geschäftserwartungen zunehmend pessimistisch

Derzeit sind die Geschäftsaussichten der Unternehmen zurückhaltend: Die Hälfte geht von keiner Veränderung der aktuellen Geschäftslage aus. Fast 40 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung der derzeitigen Geschäftssituation, im Frühjahr hatten nur 25 Prozent aller Unternehmen diese Angabe gemacht. Hauptgründe für die pessimistischen Zukunftsaussichten sind die Kostenerhöhungen infolge der Inflation sowie der sich perspektivisch weiter zuspitzende Fachkräftemangel. Zudem gehen viele Unternehmen nicht davon aus, dass die Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen wieder anziehen wird, da auch die Verbraucher und Geschäftspartner auf Kosteneinsparungen angewiesen seien. In allen Branchen wirkt sich zudem die schwächelnde Baukonjunktur negativ auf die Geschäftsaussichten von jenen Unternehmen aus, die eng mit dieser Branche zusammenarbeiten.

Fachkräftemangel bleibt größtes Geschäftsrisiko

Der Fachkräftemangel dominiert weiterhin die Geschäftsrisiken der regionalen Wirtschaft, nimmt jedoch etwas an Bedeutung im Vergleich zum Frühjahr ab. Etwa 60 Prozent der Unternehmen mit maximal 49 Beschäftigten sehen hier ein Geschäftsrisiko. Bei den Unternehmen mit 50 und mehr Beschäftigten sind es knapp 80 Prozent. Mehr als die Hälfte der Unternehmen benennt des Weiteren die Risiken Energie- und Rohstoffpreise, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Arbeitskosten. Insbesondere auf dem Bau sowie im Gastgewerbe werden die Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko benannt, jeweils mehr als 80 Prozent beklagen dies. Merklich zugelegt über alle Branchen und insbesondere in der Industrie hat das Geschäftsrisiko „Finanzierung“. Etwa jedes sechste Unternehmen insgesamt und mehr als jedes fünfte in der Industrie nennt dieses, bei der Befragung im Frühjahr war es nur rund jedes Zehnte.

Über alle Qualifikationsniveaus können offene Stellen nicht besetzt werden

Wie in den vergangenen Jahren ist der Anteil an Unternehmen, die offene Stellen länger als zwei Monate nicht besetzen können, weiterhin hoch. Etwas mehr als 50 Prozent aller Unternehmen berichten von dieser Schwierigkeit, in der Industrie sind es sogar über 70 Prozent. Nur etwa zehn Prozent haben keine Probleme bei der Besetzung von offenen Stellen. Die restlichen Unternehmen geben an, derzeit keinen Personalbedarf zu haben. Gesucht werden Arbeits- und Fachkräfte aller Qualifikationsniveaus, ein besonders hoher Bedarf besteht bei Personen mit einer dualen Berufsausbildung.
Als Folge des Arbeits- und Fachkräftemangels rechnen jeweils knapp 60 Prozent der Unternehmen mit steigenden Arbeitskosten sowie einer Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft. Etwas mehr als ein Drittel erwartet eine Einschränkung des Angebots oder den Verlust von Aufträgen. Als weitergehende Auswirkung durch den Arbeits- und Fachkräftemangel befürchten über 20 Prozent der Unternehmen einen Verlust der Standortattraktivität in der Region. Ein ähnlicher Anteil geht von einem Verlust von Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit aus.

Leichter Beschäftigungsabbau zu erwarten

Die verschlechterte konjunkturelle Lage wirkt sich auch auf die Beschäftigungserwartungen der Unternehmen aus. Zwar rechnet die Mehrheit weiterhin mit einer gleichbleibenden Zahl an Beschäftigten, jedoch gehen von den restlichen Unternehmen nun etwas mehr von einer abnehmenden als von einer zunehmenden Beschäftigtenzahl aus. Im Frühjahr war dies noch umgekehrt. Besonders im Baugewerbe wird mit Beschäftigungsrückgang gerechnet, zwei von fünf Unternehmen erwarten derartigen Abbau. Überdurchschnittlich sind die Beschäftigungserwartungen im Handel sowie bei den Dienstleistern. Hier wird weiterhin mit Einstellungen gerechnet.

Investitionsverhalten zurückhaltender

Die verschlechterte aktuelle Lage, der pessimistische Geschäftsausblick und auch die steigenden Zinsen macht sich im Investitionsverhalten der Unternehmen bemerkbar: Zwar investiert weiterhin eine Mehrheit der Unternehmen, über zehn Prozent rechnen jedoch mit fallenden Investitionsausgaben. Weiterhin sind Ersatzbedarfe für Investitionen der Unternehmen das Hauptmotiv. Etwas an Bedeutung verloren hat der Aspekt der Kapazitätsausweitung. Nur etwas mehr als jedes vierte investierende Unternehmen tut dies aus diesem Grund. Etwa ein Drittel investiert in Rationalisierung, Produktinnovation und Umweltschutz.

*Geschäftsklimaindex: Geometrisches Mittel der Salden aus gewichteten positiven und negativen Einschätzungen der aktuellen und der erwarteten Geschäftslage (neutral = 100).