THEMA MÄRZ 2023

Menschen und ihre Talente in den Mittelpunkt stellen

Der beste Weg, Fachkräfte zu gewinnen oder auch im Unternehmen zu halten, ist ihnen eine Perspektive zu geben, die ihren Talenten und Fähigkeiten entspricht, sagt Dr. Nadin Riedl, Leiterin des JBZ Bildungszentrums und demnächst auch Mitglied im IHK-Ausschuss Bildung und Fachkräfte, im Interview.

Frau Dr. Riedl, das JBZ kooperiert mit 45 Unternehmen und unterstützt sie bei der Ausbildung. Was sind die aktuellen Herausforderungen, die vor den Ausbildungsbetrieben und damit auch vor dem JBZ stehen?

Die wohl größte Herausforderung ist, dass es schwieriger ist und länger dauert, Ausbildungsplätze zu besetzen. Viel zu viele bleiben offen. Die Zeiten, als schon im Dezember feststand, wer im nächsten Jahr im Unternehmen eine Ausbildung beginnt, sind längst vorbei. Junge Menschen halten sich häufig mehrere Optionen offen und entscheiden sich erst kurz vor Ausbildungsbeginn. Auch schon gemachte Zusagen werden mitunter wieder zurückgenommen. Das geht zu Lasten der Planungssicherheit in den Unternehmen und bedeutet Mehraufwand.

Einige Firmen sind dabei erfolgreicher als andere. Was macht den Unterschied?

Junge Leute gehen vor allem dorthin, wo sie nach der Ausbildung auch gern arbeiten möchten, wo sie sich willkommen und wertgeschätzt fühlen. Eine Übernahmegarantie nach erfolgreicher Ausbildung ist da wichtig, reicht allein aber nicht aus. Wichtig sind auch: Entspricht die Ausbildung und die künftige Arbeit meinen Stärken und Talenten? Werde ich bei meiner Ausbildung und darüber hinaus unterstützt? Werde ich mich in dieser Firma wohlfühlen? 
Neue Technologien und Digitalisierung sind nur eine Seite des Wandels – unterm Strich ist es der Mensch, der den Unterschied macht. Also müssen wir die Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt unserer Strategien setzen.


Das heißt, Unternehmen müssen deutlich mehr in Ausbildungs- und nicht zuletzt Arbeitgeberinnenmarketing investieren … 

… und hier vor allem andere Prioritäten setzen. Die Menschen machen den Unterschied, nicht Bewerbungsschreiben und Schulzeugnisse. Die künftigen Azubis investieren genauso wie die Arbeitgeberinnen in die Ausbildung. Damit diese Investition sich für beide Seiten auch lohnt, ist es wichtig, sich offen und persönlich zu begegnen. Wem es gelingt, Menschen mit ihrer Persönlichkeit und ihren Talenten zu erreichen und im Unternehmen einzusetzen, hat zufriedene Mitarbeitende. 

Spiegelt sich das auch in der Arbeit des JBZ wider?

Wir unterstützen und beraten unsere Partnerfirmen nicht nur bei der fachlichen Ausbildung ihrer Azubis, sondern auch in den Bereichen Berufsorientierung und Weiterbildung. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist nicht nur Schülerinnen, sondern auch ihre Eltern in die Betriebe zu holen, für sie Ausbildung und Arbeitswelt unterschiedlicher Berufe erlebbar zu machen. Schulen sind ein anderer Lernraum als eine Werkstatt oder Produktionshalle. Deshalb bieten wir gemeinsam mehrere Projekte von Berufsinfocamp bis Schnupperlehre an, damit Jugendliche sich in verschiedenen Berufsfeldern ausprobieren und ihre Talente entdecken können. Nur so wird die Vielfalt der Angebote und beruflichen Möglichkeiten erlebbar und deutlich, welcher Beruf zu wem passt. Und am Ende auch, welcher Ausbildungsbetrieb zum künftigen Azubi passt bzw. welcher Azubi zum Betrieb. 
Berufsorientierung wollen wir aber nicht nur für Jugendliche anbieten, sondern für alle, die sich beruflich orientieren wollen. Auf dem heutigen Arbeitsmarkt gibt es viele Chancen, die man sich oft auch mit einem Quereinstieg durch eine berufliche Qualifizierung erschließen kann. 

Digitalisierung ist längst in den Arbeitsalltag und damit auch in die Ausbildung „eingezogen“. Das JBZ hat sich schon vor Jahren darauf eingestellt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Kurz gesagt: Auch hier machen die Menschen den Unterschied. Jeder unserer Azubis bekommt von uns ein Tablet, um zu kommunizieren, Ausbildungsinhalte vermitteln zu können usw. Aber auch ein „Digital Native“ muss den Umgang damit lernen. Es ist etwas anderes, mit Freunden zu chatten, als Kolleginnen oder Kunden anzuschreiben, am Handy zu „zocken“ oder eine Ausbildungsaufgabe zu lösen. Um mit der schnellen technologischen und digitalen Entwicklung schritthalten zu können, müssen wir die Menschen mitnehmen – übrigens nicht nur die Azubis, sondern alle Mitarbeitenden der Firma.

Welche Visionen und Ideen haben Sie für die Zukunft des JBZ?

In erster Linie: die Ratschläge für andere auch im eigenen Haus umsetzen. Wir haben in den letzten Jahren viel in Technik und Digitalisierung investiert. Jetzt wollen wir in unsere Mitarbeitenden investieren, sie entsprechend ihren Talenten und Fähigkeiten qualifizieren und ihnen so die Möglichkeit zur Weiterentwicklung geben.

Werden Sie auch Ihr Angebot für Unternehmen erweitern?

Wir werden auch dafür weiter investieren. Immer neue Technik, digitalisierte Abläufe und ständige Weiterentwicklung erfordern auch, dass die Mitarbeitenden, die Menschen, mitgenommen werden müssen – zum Beispiel durch zielgerichtete Qualifikation. Dafür haben wir gemeinsam mit den Firmen schon viele Angebote entwickelt. Gerade haben wir eine neue Fläche erschlossen, um dieses Standbein weiter auszubauen.
Zur JBZ Bildungszentrum gGmbH 
Das Jenaer Bildungszentrum steht seit 1991 als überbetriebliches Berufsbildungszentrum für zukunftsfähige technische Berufe allen interessierten Betrieben offen. Privatpersonen können die Kompetenzen des JBZ zur beruflichen Orientierung oder zur Aus- und Weiterbildung nutzen. Ganz wichtig ist dem JBZ die Beratung und Begleitung von Jugendlichen und Erwachsenen bei der Orientierung und Entwicklung einer beruflichen Perspektive. Gerade in den regionalen Hightechunternehmen bieten sich mit einer dualen Berufsausbildung attraktive Karrierechancen, auch als Alternative zu einem Studium.
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