26.03.2024

IHK-Unternehmensbarometer: Europa verliert an Standortattraktivität

Für viele deutsche Unternehmen hat die Europäische Union klare Mehrwerte: Politische Stabilität, einen gemeinsamen Währungsraum und der Zugang zu EU-Förderprogrammen liefern für die Mehrzahl der Betriebe einen konkreten Nutzen. Gleichzeitig fühlen sie sich von Bürokratie und Überregulierung in ihrem unternehmerischen Handeln eingeschränkt. Das ist das Ergebnis des jüngsten IHK-Unternehmensbarometers zur Europawahl 2024, in das auch die Antworten von rund 80 befragten Unternehmen aus dem Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt eingeflossen sind.
Aktuell haben die Unternehmen mit unterschiedlichsten Krisen zu kämpfen. Um im globalen Wettbewerb weiterhin mithalten zu können, ist ein starker europäischer Zusammenhalt daher besonders wichtig.
„Jeweils 71 Prozent der Unternehmen schätzen die politische Stabilität und den gemeinsamen Währungsraum, 68 Prozent sehen den Zugang zu EU-Förderprogrammen als Pluspunkt der EU. Aber: Nach Einschätzung von 55 Prozent der Unternehmen ist die Wettbewerbsfähigkeit der EU als Unternehmensstandort in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen“, erklärt Dr. Cornelia Haase-Lerch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt.
Lediglich sieben Prozent der befragten Betriebe stellen seit 2019 eine Verbesserung der Standortbedingungen fest. Damit verschenkt Europa Wachstumspotenziale, insbesondere vor dem Hintergrund der starken Konkurrenten aus China und den USA. 
Ein wesentlicher Kritikpunkt vieler regionaler Unternehmen ist die bürokratische Belastung durch Auflagen der Europäischen Union. Die EU-Lieferketten-Richtlinie, die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, der CO2-Grenzausgleichmechanismus (CBAM) und die Datenschutzgrundverordnung stellen nur einen Bruchteil der Vorschriften dar, die Unternehmen überfordern.
„Die Idee an sich ist gut, denn auch die Wirtschaft setzt sich für Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten ein. Die daraus entstehenden Dokumentations- und Berichtspflichten haben aber ein Ausmaß erreicht, das für die Unternehmen nicht mehr umsetzbar ist“, mahnt die IHK-Hauptgeschäftsführerin. Sie setzt sich für den Abbau von Bürokratie nach der Wahl ein, um kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr Spielraum und Fokussierung auf das Kerngeschäft zu verschaffen. 
Daneben rücken die Sicherung der Energieversorgung (71 Prozent) und der Schutz vor Cyberangriffen (52 Prozent) in den Fokus. Fast jedes Unternehmen war bereits direkt oder indirekt von Cyberattacken betroffen und wünscht sich, dass die Europäische Union nach der Wahl ein Sicherheitskonzept vorlegt. Des Weiteren ist die langfristige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft durch die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte für 39 Prozent der Befragten ein prioritäres Anliegen.
Hintergrund: Die Online-Umfrage fand vom 19. bis 27. Februar 2024 statt und basiert auf den Antworten von knapp 3.000 Unternehmen bundesweit, die über die Vollversammlungen der IHKs und die Fachausschüsse der DIHK eingeholt wurden. Aus dem Kammerbezirk der IHK Erfurt beteiligten sich rund 80 Unternehmen.