Konjunkturumfrage 4. Quartal 2024
Regionale Konjunktur: Leichter Aufwind, aber noch keine Trendwende
Zum Jahreswechsel 2024/2025 hat sich die Stimmung der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg zumindest ein Stück weit aus ihrem Tief gelöst – sie bleibt aber weiterhin stark angespannt. Nach wie vor wird die regionale Wirtschaft durch hohe Energie- und Arbeitskosten, erhebliche Steuerlasten und die ausufernde Bürokratie ausgebremst. Zudem lahmt die Nachfrage nach ihren Produkten im In- und Ausland. Folglich bleiben die Betriebe mit Investitionen zurückhaltend. Dies ergibt sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das vierte Quartal 2024.
In der Gesamtschau beruht der Anstieg des IHK-Konjunkturklimaindikators auf zwei Faktoren: Zum einen auf den leicht verbesserten Lagebeurteilungen und zum anderen auf den nicht mehr ganz so düsteren Geschäftsprognosen. Derzeit bezeichnen 15 Prozent der befragten Betriebe ihre Geschäftslage als gut, 59 Prozent sehen sie zumindest als befriedigend an. Mehr als ein Viertel aller Unternehmen beurteilt seine Situation jedoch als schlecht. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen beträgt -11 und kann damit erstmals seit einem Jahr wieder zulegen (Vorquartal: -18). Gleichwohl sind die Aussichten der Unternehmen auf die Geschäftsentwicklung im neuen Jahr weiter von Skepsis geprägt. Aktuell rechnen immer noch 40 Prozent der befragten Unternehmen mit geschäftlichen Einbußen. Immerhin ist der Anteil der Betriebe, die meinen, ihr Geschäftsniveau halten zu können, mittlerweile auf die Hälfte angewachsen. An eine Aufhellung seiner Geschäftstätigkeit glaubt aber nur jedes zehnte Unternehmen. Die negativen Vorhersagen überwiegen damit zwar immer noch deutlich, der Blick nach vorn fällt aber nicht mehr so umfassend pessimistisch aus wie noch vor drei Monaten.
Welche Sorgen die regionale Wirtschaft derzeit umtreiben, verrät ein Blick auf die größten Risiken, die die Unternehmen für ihre künftige Geschäftsentwicklung sehen. Etwa jedem zweiten Betrieb bereitet der Fach- und Arbeitskräftemangel erhebliche Kopfzerbrechen. Mehr als die Hälfte befürchtet, dass die Entwicklung der Arbeitskosten die künftige Geschäftsentwicklung belasten wird. Auch die hohen Energie- und Rohstoffpreise stellen für sechs von zehn Unternehmen ein beträchtliches Problem dar. Zwei Drittel der Befragten sorgen sich um die Inlandsnachfrage. An allererster Stelle der Risiken werden aber die herrschenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt. Drei Viertel der befragten Betriebe sehen darin ein erhebliches Risiko für ihre künftige Geschäftsentwicklung.
An diesen Punkt knüpft Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, an und sagt: „Dass unsere heimischen Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Top-Risiko für ihre Tätigkeit betrachten, ist in höchstem Maße alarmierend. Eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung wird aber erst nach den anstehenden Bundestagswahlen möglich sein. Immerhin bieten die Neuwahlen die Chance auf eine stabile Bundesregierung, die sich in ihren Zielen und deren Umsetzung wieder einig ist. Eine verlässliche Politik und eine klare Ausrichtung auf die Wirtschaft sind in der aktuellen Phase notwendige Grundlagen, damit unsere Unternehmen in die Zukunft investieren können. Angesichts der wirtschaftlichen Lage können wir uns keine lange Hängepartie leisten. Wir brauchen schnell Klarheit und einen Neustart in der Wirtschaftspolitik.“
Ganz oben auf der Agenda steht aus Sicht beider IHKs die rasche und beherzte Auflösung des Reformstaus und die Schaffung international wettbewerbsfähiger Standortbedingungen in Deutschland. Denn: Obwohl die regionalen Unternehmen sowohl ihre aktuelle Geschäftslage als auch ihre Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten positiver einschätzen als noch im Herbst, hat sich das Investitionsklima weiter eingetrübt. Nur noch 22 Prozent planen eine Steigerung ihrer Investitionen, und wenn investiert wird, dann eher überwiegend in Ersatz- und nicht in Zukunftsinvestitionen.
Wenn Unternehmen sich in einer Zeit der Transformation hin zur Klimaneutralität, Künstlicher Intelligenz und zunehmender Digitalisierung gegen Investitionen entscheiden, offenbare dies das Misstrauen der Unternehmen in die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, so IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. „Für mehr Investitionsbereitschaft brauchen die Unternehmen dringend spürbar niedrigere Energiepreise, eine investitionsfreundliche Unternehmenssteuerreform, die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages und erhebliche bürokratische Entlastungen.” Er sieht auch die neue EU-Kommission an der Reformfront gefordert. Sie müsse ihr Versprechen einlösen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die EU-Bürokratielasten um 25 Prozent zu reduzieren. Das gelte angesichts des Regierungswechsels in den USA und der neuen geopolitischen und geoökonomischen Rahmenbedingungen mehr denn je. „Es ist höchste Zeit, den EU-Bürokratieabbau zügig umzusetzen, damit die Wirtschaftsstandorte in der EU nicht von China und den USA abgehängt werden.“
Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg
Die insgesamt unbefriedigende Geschäftslage, die weiterhin pessimistischen Geschäftsprognosen sowie die strukturellen Probleme des heimischen Wirtschaftsstandortes wirken sich auch auf die Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft aus. Diese bleibt nicht nur ausgesprochen verhalten, sondern hat sich zwischen Herbst und Winter sogar noch einmal verschlechtert. Aktuell beabsichtigen 38 Prozent der befragten Betriebe, ihre Investitionsbudgets zu kürzen. Eine Ausweitung ihrer Investitionen erwarten dagegen nur 22 Prozent der Unternehmen. Hinzu kommt, dass der Großteil der geplanten Investitionen lediglich der Beschaffung von Ersatzbedarf dient. Auf Wachstum ausgerichtete Investitionen zur Produktinnovation und Kapazitätserweiterung stehen dahinter deutlich zurück.
Dabei ist der Investitionsbedarf grundsätzlich ausgesprochen hoch, denn ohne umfassende Investitionen werden die Herausforderungen der Digitalisierung oder der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz kaum zu bewältigen sein. Insofern muss die anhaltende Investitionsschwäche der heimischen Wirtschaft nachdenklich stimmen. Zumal auffällt, dass die auslandsaktiven Unternehmen ihre Investitionen in der Fremde merklich forscher angehen. Hier liegt der Anteil derjenigen, die ihre ausländischen Investitionen steigern wollen, erkennbar über dem Anteil derjenigen, die ihre auswärtigen Investments zurückfahren möchten. Offensichtlich werden die Investitionsbedingungen im Ausland verglichen mit denjenigen im Inland als attraktiver eingeschätzt. Dies kann als Signal für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland interpretiert werden.
Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich schon seit längerer Zeit ein Stück weit vom Konjunkturgeschehen entkoppelt, da die meisten Unternehmen sehr darum bemüht sind, ihre wertvollen Fachkräfte trotz aller konjunkturellen und strukturellen Probleme zu halten. Mittlerweile schlagen die Belastungen aber auch auf die Beschäftigungsplanungen durch. So beabsichtigen derzeit nur noch 12 Prozent der Betriebe, ihren Personalbestand auszubauen. Mehr als jedes vierte Unternehmen rechnet jedoch damit, die Anzahl seiner Mitarbeiter reduzieren zu müssen.
Industrie
Die Industrie, die mehr als alle anderen Wirtschaftszweige internationaler Konkurrenz ausgesetzt ist und daher in besonderem Maße unter den deutschen Standortschwächen zu leiden hat, steckt weiter fest in der Krise. Darüber kann auch der Anstieg des sektoralen Konjunkturklimaindikators um 10 Punkte auf den immer noch ausgesprochen mäßigen Wert von 72 nicht hinwegtäuschen. Die geschäftliche Lage der produzierenden Betriebe hat sich vom Herbst zum Winter sogar noch einmal verschlechtert. Momentan berichten gerade einmal 6 Prozent der Hersteller von guten Geschäften. Über einen schlechten Geschäftsverlauf klagt dagegen ein knappes Drittel. Der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen beträgt demnach – 26, womit er immer tiefer in den Minusbereich rutscht. Noch viel schwieriger ist die Lage in der energieintensiven Industrie. Hier beträgt der Saldo aus positiven und negativen Lagebeurteilungen – 60. Dies zeigt, dass die Rentabilität energieintensiver Produktionen wegen anhaltend hoher Energiepreise immer stärker unter Druck gerät. Zudem hadern zahlreiche Industriebetriebe mit ihren Umsätzen und Erträgen. Und frühere Auftragsreserven sind mittlerweile größtenteils abgearbeitet. Auch wenn die Ordertätigkeit der in- und ausländischen Industriekunden zuletzt ein wenig angezogen hat, bleibt sie im Großen und Ganzen träge. Immerhin fällt die Vorausschau der regionalen Industrie auf die künftige Geschäftsentwicklung nicht mehr ganz so pessimistisch aus wie noch im Vorquartal. Hierauf gründet sich auch der erwähnte Anstieg des sektoralen Konjunkturklimaindikators. Ungeachtet dessen dominiert bei den Geschäftsprognosen aber weiterhin die Skepsis.
Einzelhandel
Der starke winterliche Anstieg des Konjunkturklimaindikators im Einzelhandel ist vor dem Hintergrund des extrem niedrigen Ausgangsniveaus aus dem Vorquartal zu betrachten. Auch wenn die Einzelhändler hinsichtlich Geschäftslage und Geschäftserwartungen seit dem Herbst einen Schritt nach vorn machen konnten, bleibt die Stimmung gedämpft. Insgesamt scheint das Weihnachtsgeschäft aber zumindest für Teile der Branche einigermaßen zufriedenstellend verlaufen zu sein. Auch vorangegangene Sonderaktionen rund um den „Black Friday“ oder den „Cyber Monday“ konnten vor allem im Internet- und Versandhandel die Umsätze ankurbeln. Dies führt dazu, dass derzeit wieder 15 Prozent der Einzelhändler ihre geschäftliche Situation als gut bezeichnen. Knapp zwei Drittel empfinden sie wenigstens noch als befriedigend, mehr als jeder fünfte Händler berichtet hingegen von schlecht laufenden Geschäften. Die Konsumneigung der Handelskunden ist zuletzt wieder etwas angestiegen. Eine nachhaltige Erholung des Konsumklimas ist allerdings nach wie vor nicht in Sicht, da die Verunsicherung der Verbraucher angesichts zahlreicher schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft tief sitzt. Zwar sind mittlerweile die Teuerungsraten ebenso wie die Zinsen auf dem Rückzug, die in den zurückliegenden Jahren stark gestiegenen Lebenshaltungskosten haben das verfügbare Einkommen der Konsumenten aber erkennbar geschmälert. Und so zeigt sich der Ausblick der Händler auf die Geschäfte im Jahr 2025 zwar verbessert, mehrheitlich aber immer noch eher trübe.
Großhandel
Auch die eingetretene Erholung des sektoralen Konjunkturklimaindikators für den Großhandel muss in Relation zu seinem außerordentlich niedrigen Vorquartalsstand gesehen werden. Im Herbst war der Indikator auf einen historischen Tiefstwert gefallen. Seither konnte die Branche ihre Umsätze und Erträge zwar stabilisieren, allerdings auf weiterhin geringem Niveau. Wie schwierig die Situation nach wie vor ist, zeigen die Rückmeldungen der Großhändler zu ihrer geschäftlichen Lage. Aktuell berichten gerade einmal 12 Prozent der Grossisten über gut laufende Geschäfte. Weniger als die Hälfte der Betriebe bezeichnet ihre Situation als befriedigend, 40 Prozent beurteilen ihre Geschäftslage hingegen als schlecht. Natürlich kann sich auch der Großhandel der anhaltenden Konjunkturflaute nicht entziehen. Entsprechend zögerlich fällt das Bestellverhalten seiner Kunden aus. So leidet der produktionsbezogene Großhandel unter der trägen Industriekonjunktur, den konsumnahen Großhandel trifft die immer noch verbreitete Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Vielfach haben die eingetretenen Preissteigerungen einen Rückgang der Nachfrage bewirkt. Die Hoffnung auf eine Normalisierung des Geschäftsverlaufs ist zum Jahreswechsel zwar wieder etwas angewachsen, sie bleibt aber verhalten. So bezeichnen immer noch 42 Prozent der Großhändler ihre Geschäftsaussichten für 2025 als schlecht. Von einer gleichbleibenden Entwicklung gehen nun immerhin 57 Prozent aus. Bessere Geschäfte werden allerdings nur im Einzelfall erwartet.
Dienstleistungen
Obwohl der sektorale Konjunkturklimaindikator für die Dienstleistungswirtschaft einige Punkte gutmachen konnte, ist die Stimmung der Branche weiterhin nur als mäßig zu bezeichnen. Zwar fallen die Rückmeldungen der Dienstleister zu ihren Umsätzen, Erträgen und Auftragseingängen aktuell etwas besser aus als im Vorquartal, eine nachhaltige Erholung ist jedoch noch nicht erkennbar. Momentan bewertet ein gutes Viertel der Dienstleister seine Geschäftslage als gut. Mehr als die Hälfte sieht sie als befriedigend an, ein knappes Fünftel hadert hingegen mit seiner Situation. Immerhin ist der Dienstleistungssektor mit diesem Feedback derzeit der einzige an der Umfrage beteiligte Wirtschaftszweig, bei dem die geschäftlichen Lagebeurteilungen per Saldo in den Positivbereich hineinreichen. Von langjährigen Durchschnittswerten ist die Branche aber immer noch weit entfernt. Vielen unternehmensbezogenen Dienstleistern fehlen die Aufträge der heimischen Industrie- und Gewerbekunden und auch die personenbezogenen Dienstleister spüren die Zurückhaltung ihrer Klienten. Angesichts des trägen Geschäftsumfelds blickt die Branche mit merklicher Skepsis auf die Geschäftsentwicklung im angebrochenen Jahr. Nur 15 Prozent der befragten Betriebe glauben, dass 2025 eine geschäftliche Aufhellung bringen wird. Gleichbleibende Geschäfte erwarten immerhin 43 Prozent. Ein fast ebenso großer Anteil rechnet jedoch mit einer geschäftlichen Eintrübung. Insgesamt dürfte die nähere Zukunft also auch für die Dienstleister herausfordernd bleiben.
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Je mehr Unternehmen sich an der IHK-Konjunkturumfrage beteiligen, desto repräsentativer und verlässlicher sind deren Ergebnisse. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert maximal fünf Minuten - bei vier Befragungen im Jahr. Machen Sie mit und stärken Sie die Aussagekraft unserer regionalen Konjunkturberichterstattung. Melden Sie sich hier an.
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