Positionspapier: Verkaufsoffene Sonntage und sonntäglichen Trödelmärkte
Verkaufsoffene Sonntage haben in Zeiten des anhaltenden Strukturwandels im Einzelhandel eine besondere Bedeutung. Vor dem Hintergrund eines geänderten Freizeit- und Einkaufsverhaltens und des wachsenden Online-Handels sind verkaufsoffene Sonntage, gerade auch für die mittelgroßen und kleineren Kommunen im ländlichen Raum, ein wichtiges Instrument des Stadt- und Ortsmarketings, um die Vitalität der Zentren aufrechtzuerhalten. Eine Umfrage der niedersächsischen IHKs im Mai 2016 unter 3.040 Händlern hat die Bedeutung von verkaufsoffenen Sonntagen für den Einzelhandel bestätigt. Mehr als die Hälfte aller Befragten schätzt aktuell als auch zukünftig die Bedeutung verkaufsoffener Sonntage als wichtig oder sehr wichtig ein.
Die Anzahl, der Zeitraum und die Voraussetzungen für verkaufsoffene Sonntage wie auch Sonntagsöffnungsverbote sind im Niedersächsischen Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) geregelt. Hiernach dürfen je Stadt bzw. Gemeinde höchstens vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr genehmigt werden. In staatlich anerkannten Ausflugsorten sind bis zu acht Sonntagsöffnungen erlaubt. Kur- und Erholungsorte dürfen vom 15.12. bis 31.10. mit bestimmten Sortimenten jeden Sonntag öffnen. Die Regelungen für Kur- und Erholungsorte stehen aktuell nicht auf dem Prüfstand. Die Erforderlichkeit eines Sachgrundes für die Durchführung eines Verkaufssonntages, der explizit eine Ausnahme vom Sonntagsöffnungsverbot rechtfertigt, oder ein räumlicher Bezug, ob die Sonntagsöffnungen für einzelne Stadt- bzw. Ortsteile oder die gesamte Stadt bzw. Gemeinde gelten, sind bis dato nicht Bestandteil des Gesetzes.
Im Jahr 2015 klagte die Gewerkschaft ver.di erfolgreich gegen die Genehmigungspraxis der Landeshauptstadt Hannover bei verkaufsoffenen Sonntagen. Das Verwaltungsgericht Hannover (Az. 11 A 2676/15) stellte fest, dass maximal vier Sonntagsöffnungen je Stadt bzw. Gemeinde unabhängig von deren Größe und der Anzahl der Ortsteile stattfinden dürfen. Außerdem hält es in Verbindung mit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 1. Dezember 2009 (Az. 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07) die Durchführung ohne konkreten Anlass für fragwürdig.
Zuletzt hat ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. November 2015 (Az. 8 CN 2.14) die Hürden für Sonntagsöffnungen deutlich erhöht. Demnach muss für die Ladenöffnung an Sonntagen ein Anlass durch eine Veranstaltung gegeben sein, die mehr Besucher anzieht als die alleinige Sonntagsöffnung der Geschäfte.
Durch diese und weitere, ähnlich lautende Urteile aus den vergangenen Jahren ist eine Änderung des NLöffVZG im bisherigen § 5 „Allgemeine Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsregelung“ erforderlich. Bundesweit wurden seit 2009 circa 110 Genehmigungen von Verkaufssonntagen vor Verwaltungsgerichten beklagt, die in den meisten Fällen zur kurzfristigen Untersagung von Sonntagsöffnungen führten (vgl. „Die Welt“ vom 18. Mai 2017). Die Untersagungen wurden in vielen Fällen durch einen fehlenden oder unangemessenen Anlassbezug begründet. In Niedersachsen waren bisher nur die Regionen rund um Osnabrück und Hannover von Untersagungen bereits genehmigter Sonntagsöffnungen betroffen. Da seitens der örtlichen Händler und Werbegemeinschaften ein großes zeitliches, aber auch finanzielles Engagement in die Organisation und Durchführung investiert wird, stellt die aktuelle unsichere Rechtslage ein ernst zu nehmendes Risiko dar.
Dass Sonn- und Feiertage grundsätzlich geschützt sein sollen, steht in der Diskussion über eine gesetzliche Regelung der verkaufsoffenen Sonntage in Niedersachsen aufgrund der grundgesetzlichen Verankerung in Artikel 140 außer Frage. Der IHK Braunschweig geht es vielmehr um eine Präzisierung und rechtssichere Anwendbarkeit des Gesetzes in der Praxis. Damit die genehmigenden Kommunen und betroffenen Unternehmen Planungs- und Rechtssicherheit erhalten, ist eine Klarstellung im Gesetz daher unbedingt erforderlich. Aufgrund dessen befürwortete die IHK Braunschweig die Erstellung eines Rechtsgutachtens im Auftrag der IHK-Landesarbeitsgemeinschaften Niedersachsen (IHKN), Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, mit dem die Notwendigkeit und rechtssichere Ausgestaltung der Anlassbezogenheit von Verkaufssonntagen überprüft werden. Das Rechtsgutachten des Staatsrechtlers Prof. Dr. Johannes Dietlein kommt zu dem Ergebnis, dass eine Anlassbezogenheit von Verkaufssonntagen nach dem Grundgesetz nicht zwingend vorgesehen ist. Gleichwohl bedarf es eines Sachgrundes für die Freigabe von Sonntagsöffnungen, der vom Landesgesetzgeber selbst vorgegeben werden kann.
Darüber hinaus gibt es in jüngster Zeit Probleme bei der Genehmigung und Durchführung von sonntäglichen Trödelmarkten, die auf einen Beschluss (7 ME 20/17) des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 27. April 2017 zurückzuführen sind. Das Gericht stellte hier fest, dass sonntägliche Trödelmärkte wie verkaufsoffene Sonntage des stationären Einzelhandels nur aus Anlass in Verbindung mit einer Veranstaltung genehmigt werden dürfen. Die Möglichkeit zur Durchführung von Trödelmärkten an Sonntagen würde mit einem verpflichtenden Anlass ebenfalls deutlich eingeschränkt. Die IHK Braunschweig spricht sich aus diesem Grund in gleicher Weise dafür aus, dass sonntägliche Trödelmärkte unabhängig von anlassgebenden Veranstaltungen möglich sein sollen, insbesondere in Verbindung mit einer Begrenzung des Neuwarenanteils.
Beschlussempfehlung: Anlässlich aktueller bundesweiter Rechtsprechungen zu Sonntagsöffnungen fordert die IHK Braunschweig in vergleichbarer Weise wie die anderen IHK’s in Niedersachsen die Überarbeitung des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) bei einer Berücksichtigung folgender Punkte:
- Die derzeitige Regelung von maximal vier verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr soll mindestens beibehalten werden. Sie ist ein in jahrelanger Praxis bewährter Kompromiss, der den grundsätzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage nicht in Frage stellt, zugleich aber den Bedürfnissen von Kunden und Handel gerecht wird.
- Der räumliche Wirkungskreis für verkaufsoffene Sonntage muss differenziert werden. Das Gesetz bezieht sich bislang nur auf die Ebene eines gesamten Stadt- bzw. Gemeindegebietes. Die Ausnahmen sollten für Stadtbezirke, Stadtteile, Ortschaften und Mitgliedsgemeinden (z.B. innerhalb einer Samtgemeinde) gelten und somit auch stadt- und ortsteilbezogene Sonntagsöffnungen ermöglicht werden.
- Die Regelung von 8 Sonntagsöffnungen in Ausflugsorten ist im Mindesten beizubehalten. Mit ihr wird man den besonderen Erfordernissen der Urlaubsgäste gerecht und die Standortattraktivität der Ausflugsorte wird gesichert.
- Ein Verbot von Sonntagsöffnungen soll ausschließlich für gesetzliche und kirchliche Feiertage gelten, um eine praktikable und nachvollziehbare Regelung für alle Beteiligten zu gewährleisten.
- Verkaufsoffene Sonntage sollen unabhängig von Anlässen, wie Veranstaltungen, Märkten, Messen, etc. genehmigt werden. Die Möglichkeit einer Sonntagsöffnung würde mit einer Anlassanforderung deutlich eingeschränkt und gleichzeitig mit mehr Aufwand und Bürokratie in der Genehmigungspraxis verbunden sein. Zu komplizierte Regelungen und die Rechtsunsicherheit, wie ein Anlass überhaupt sachlich zu begründen ist, stellen insbesondere für kleinere Orte und schwächer aufgestellte Standortgemeinschaften große Hürden dar.
- Als mögliche Sachgründe für Sonntagsöffnungen sollen folgende Gemeinwohlgründe berücksichtigt werden:
- Städtebauliche Ziele der Sicherung oder Wiederherstellung geordneter und attraktiver Wohn- und Lebensverhältnisse in den Innenstädten;
- Städtebauliche Ziele der Sicherung oder Stärkung von Zentralen Versorgungsbereichen;
- die Steigerung der überörtlichen Sichtbarkeit sowie Eigenpräsentation der Kommunen als attraktiver und lebenswerter Standort;
- Ziele der Erhaltung wettbewerbsfähiger stationärer Verkaufsstellen infolge der zunehmenden Bedeutung des raum- und zeitunabhängigen Online-Handels.
- Sonntägliche Trödelveranstaltungen sollen zugleich unabhängig von Anlässen, wie Veranstaltungen, Märkten, Messen, etc. genehmigt werden. Insbesondere in Verbindung mit einer Begrenzung des Neuwarenanteils auf maximal 10 Prozent der Gesamtverkaufsfläche sollen als mögliche Sachgründe für sonntägliche Trödelmärkte folgende Gemeinwohlgründe Berücksichtigung finden:
- die Steigerung der überörtlichen Sichtbarkeit sowie Eigenpräsentation der Kommunen als attraktiver und lebenswerter Standort;
- Ziele zur Erhaltung klassischer Trödel- und Flohmarktveranstaltungen infolge der zunehmenden Bedeutung des Gebrauchtwarenhandels auf Online-Plattformen.
Die Vollversammlung der IHK Braunschweig hat am 27. November 2017 das Positionspapier über verkaufsoffene Sonntage und sonntägliche Trödelmärkte mit einer Nein-Stimme bei einer Enthaltung verabschiedet.
Stand: 21.07.2025