Europawahl 2024: Darum ist sie wichtig für die Wirtschaft

Am 9. Juni ist Europawahl. Nie zuvor waren die Fliehkräfte in der Staatengemeinschaft größer. Die EU-Staaten sind uneins bei der Sicherheitspolitik, streiten beim Thema Asyl – und wollen höchst unterschiedliche Wege beschreiten, wenn es um die Stärkung von Wirtschaftskraft und Innovation geht. Damit läuft die Europäische Union Gefahr, im weltweiten Vergleich abgehängt zu werden. Jetzt ist es an der Zeit gegenzusteuern.
DIHK-Präsident Peter Adrian hat eine klare Haltung zum politischen Europa: „Es ist und bleibt bei aller berechtigten Kritik wahr: Europa ist die Lösung für eine gute Zukunft in der sich ändernden Welt. Aber nicht das Europa der Bürokraten, der Zweifler und der Bremser – sondern das Europa der Macher, der Unternehmer und der Neugierigen“, appelliert er in seinem offenen Brief an die Europäische Union.
Tatsächlich ist Europa weit besser als sein Ruf – gerade für Unternehmen, die international tätig sind und den europäischen Binnenmarkt bespielen. Es gibt einheitliche und rechtssichere Standards, keine Ein- und Ausfuhrzölle, Kosteneinsparungen durch Harmonisierung und natürlich einen deutlich vergrößerten Absatzmarkt im Vergleich zu den Grenzen im eigenen Nationalstaat. Und was wäre der Wandel im Ruhrgebiet ohne die zahlreichen Förder- und Unterstützungsprogramme aus Brüssel, die den Wandel weg von Kohle und Stahl deutlich beschleunigt haben? Dennoch hakt es an zahlreichen Stellen im Staatenbund.
„Es ist und bleibt bei aller berechtigten Kritik wahr: Europa ist die Lösung für eine gute Zukunft in der sich ändernden Welt.”
Zum Beispiel beim Bürokratieabbau:
Die von der EU-Kommission vielgepriesene „One in, one out“-Regel greift noch nicht. Für jede neue Vorgabe soll eigentlich eine alte wegfallen. Stattdessen werden es weiter mehr. Das stellt vor allem kleine und mittlere Unternehmen in zahlreichen Branchen vor immer größere Schwierigkeiten. Sie drohen an der Regulierungswut aus Brüssel zu ersticken. Aus Sicht der DIHK muss Europa dringend einfacher, schneller und günstiger werden. „Dies lässt sich durch einen Dreiklang erreichen. Erstens: keine neuen Gesetze, die Unternehmen zusätzlich belasten. Das EU-Lieferkettengesetz muss deshalb dringend ausgesetzt werden. Zweitens: bestehende Bürokratie konsequent abbauen – und zwar noch vor den Europawahlen. Drittens: In Zukunft brauchen wir eine praxisorientierte Rechtsetzung, die auf schnelle Bearbeitung und auf die Ergebnisse abzielt“, heißt es in einem aktuellen DIHK-Positionspapier.
Zum Beispiel bei der grünen Transformation:
Bis 2050 möchte die EU klimaneutral werden. Um das zu erreichen, soll der europäische „Green Deal“ zur Dekarbonisierung des Energiesystems der EU beitragen. Angelehnt an die Ziele der EU hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, bereits im Jahr 2045 die Klimaneutralität zu erreichen – um damit dem Klimawandel und der Umweltzerstörung entgegenzuwirken. Wichtig hier: das europäische System des Emissionshandels (Emissions Trading System, kurz ETS). Unternehmen, die CO₂ ausstoßen, müssen dafür Zertifikate vorweisen, die handelbar sind. „Dieses Instrument hat den Nachteil, dass letztlich planwirtschaftlich bestimmt wird, welche Unternehmen und Sektoren leichter finanziert werden als andere“, sagt beispielsweise Prof. Dr. Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts. „In welchem Umfang Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand gewahrt werden können und die soziale Abfederung gelingt, ist offen und hängt nicht zuletzt von der klugen Ausgestaltung des Green Deals ab.“
Zum Beispiel bei den Energiepreisen:
Noch immer wirkt der Energiepreisschock des Jahres 2022 nach: Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen hatten oft keine andere Wahl, als die Mehrkosten für Strom und Gas an ihre Kund:innen weiterzugeben, damit sie noch profitabel wirtschaften konnten. Wer keine langfristigen Lieferverträge hatte, musste z.B. beim Strom deutlich tiefer in die Tasche greifen. So zahlten etwa Industriekunden im April 2021 laut Statista im Mittel 16,9 Cent pro Kilowattstunde, zwei Jahre später wurden schon über 23 Cent fällig, beim Gas waren die Preissteigerungen noch deutlich größer. „Deshalb ist es wichtig, Unternehmen unkompliziert zu entlasten, bis ausreichend günstige erneuerbare Energie zur Verfügung steht“, bringt es eine DIHK-Forderung auf den Punkt. 
„Was wir jetzt brauchen, ist eine Willkommenskultur, die diesen Namen auch verdient.“
Zum Beispiel bei der Fachkräftesicherung:
Beim Fachkräftemangel werde insbesondere die verbesserte Rekrutierung von Arbeits- und Fachkräften aus Drittstaaten durch beschleunigte und vereinfachte Verfahren stärker in den Fokus rücken, so die DIHK. Auch die Arbeitsmobilität innerhalb der EU, die Förderung von lebenslangem Lernen und einer praxisnahen beruflichen Bildung komme eine besondere Rolle zu. „Was wir jetzt brauchen, ist eine Willkommenskultur, die diesen Namen auch verdient“, sagt Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet. Vor allem Behörden müssten Visa und Anmeldungen erleichtern, Schulen und Bildungsträger mehr Angebote machen, Deutschkenntnisse schnell und effizient zu verbessern. Aber auch Unternehmen seien gefordert, sich Gedanken zu machen, wie sie Neuankömmlinge besser integrieren können. Bergmann: „Nur wenn sich die Menschen hier bei uns willkommen und zuhause fühlen, werden sie bleiben und wir alle profitieren.“