Verkehrsgipfel Tschechien-Bayern-Sachsen: Wirtschaftskammern und Anrainer-Regionen pochen in der Karlsbader Erklärung weiter auf Elektrifizierung

Fünfunddreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und 20 Jahre nach der EU-Osterweiterung lässt der Ausbau einer gemeinsamen Verkehrsinfrastruktur noch immer auf sich warten. Das machten über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Wirtschaftskammern und Spitzen der Kommunen gemeinsam mit den Abgeordneten von EU, Bund und Land deutlich. Bei einem internationalen Verkehrsgipfel im tschechischen Karlsbad haben die Vertreterinnen und Vertreter der Anrainerregionen Bayern, Sachsen und Tschechien deshalb in einer „Karlsbader Erklärung“ (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 153 KB) an die Regierungen in Berlin und Prag appelliert, die zentralen grenzüberschreitenden Bahnvorhaben von europäischer Bedeutung ohne weitere Verzögerungen zu realisieren.
Konkret geht es in der „Karlsbader Erklärung“ (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 153 KB) um den Ausbau des transeuropäischen Schienennetzes an der zentralen Nahtstelle von Ost und West. Die Verantwortlichen fordern den Ausbau einschließlich der Elektrifizierung der Schienenwege Nürnberg – Marktredwitz – Hof – Chemnitz – Dresden – Görlitz – Breslau/Wroclaw; sowie den für den Schienengüterverkehr wichtigen Abzweig von Marktredwitz nach Eger/Cheb und die Neubaustrecke Strecke Dresden – Prag mit dem Erzgebirgstunnel.
In einem zusammenwachsenden Wirtschaftsraum in der Mitte Europas fehlet es noch heute an einer ausreichend guten Anbindung an das leistungsfähige tschechische Schienennetz, für das die Elektrifizierung der deutschen Schieneninfrastruktur die Grundvoraussetzung ist. Der bayerische Abschnitt der Franken-Sachsen-Magistrale ist eine gravierende Infrastrukturlücke im Schienen- Dreieck Nürnberg – Prag – Dresden. Dabei geht es um den rund 140 Kilometer langen Lückenschluss zwischen Nürnberg und Marktredwitz, beziehungsweise bis Eger/ Cheb. Seit mehr als 30 Jahren fordert die IHK diesen Lückenschluss. In der Mitte Europas verhindert die fehlende Elektrifizierung den durchgehenden Personen- und Güterverkehr. Da diese Elektrifizierungslücke ein riesiges Hindernis ist, verfügten mittel- und osteuropäische Staaten über keine direkten Verbindungen nach Westdeutschland und Südwesteuropa, obwohl deren Schienenmagistralen mit europäischen Fördermitteln vielfach bereits ausgebaut und modernisiert worden seien.
Gleichzeitig ist diese Elektrifizierung notwendig um eine durchgängig elektrifizierte und schnell verfügbare Ausweichroute für die einzige elektrifizierte und daher chronisch überlastete Bahnstrecke von Tschechien nach Deutschland durch das Elbtal zu schaffen. Die Umfahrung über Eger/Cheb wird bis zur Fertigstellung der Neubaustrecke Dresden – Prag in steigendem Maße erforderlich, insbesondere für die mehrmonatigen Streckensperrungen während des Baus. Bis dahin sollte eine Elektrifizierung zwischen Schirnding, Marktredwitz und Hof erfolgt sein.
Auf dem gemeinsamen Verkehrsgipfel machte IHK-Präsident Dr. Michael Waasner an konkreten Zahlen deutlich, wie wichtig der Ausbau ist: Im bayerischen Export nimmt Tschechien unter allen Ländern Rang  10 ein, beim Import Rang 4. Für den Freistaat Sachsen ist Tschechien noch wichtiger: Beim Export nimmt Tschechien dort Rang 5 ein, beim Import Rang 2. „Und in meinem Unternehmen ist Tschechien das Exportland Nummer 1“, so Dr. Michael Waasner.
Große Hoffnungen setzten der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter und die sächsische Verkehrsstaatssekretärin Ines Fröhlich auf dem Verkehrsgipfel in einen aktuellen Beschluss des EU-Parlaments zur Fertigstellung großer transeuropäischer Verkehrsprojekte. Die Verordnung über Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes soll einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr schaffen und grenzüberschreitende Mobilität garantieren. „Die Strecke über Marktredwitz ist dabei nicht etwa eine Nebenstrecke, sondern ein sehr wichtiger Korridor“, so Christian Bernreiter.